Das Forschungsprojekt

Informieren Sie sich hier über Hintergründe, Ziele und den 
praktischen Ablauf unseres Forschungsprojektes.

Hintergrund

Seit etwa 30 Jahren betreuen Teams der Krisenintervention und Notfallseelsorge Menschen nach außergewöhnlichen Erfahrungen. Seither wurden unzählige Einsätze gefahren, in denen Menschen in besonders schweren Stunden begleitet wurden.

Was improvisiert und vergleichsweise unsystematisch begann, wurde über die drei Jahrzehnte zunehmend standardisiert und professionalisiert. Als Meilenstein innerhalb dieser Entwicklung der Qualitätssicherung und -verbesserung ist der sogenannte Konsensus-Prozess zu nennen: Im Laufe mehrerer großer Veranstaltungen wurden zwischen 2008 und 2010 Konzepte entwickelt und Leitlinien u.a. dazu formuliert, wie man Menschen unmittelbar nach belastenden Ereignissen möglichst gut unterstützen kann. Dieser Bereich wird Psychosoziale Notfallversorgung (abgekürzt PSNV), oder genauer, Psychosoziale Notfallversorgung für Betroffene (abgekürzt PSNV-B) genannt. Und so gehört auch das KIT-München, genauso wie alle anderen Teams der Notfallseelsorge und Krisenintervention bundesweit, zur PSNV-B.

Schon während des Konsensus-Prozesses war offensichtlich, dass es wissenschaftlicher Untersuchungen bedarf, die die Wirksamkeit der PSNV-B untersuchen. Bislang hat es im Bereich der PSNV-B nur wenige Forschungsprojekte gegeben, die dieser Frage nachgegangen sind - auch deshalb, weil Untersuchungen in diesem Bereich mit vielen Herausforderungen verbunden und nicht einfach umsetzen sind. 
Daher sind auch heute noch viele Fragen zur Wirksamkeit der PSNV-B offen.

Unser Forschungsprojekt knüpft an die Entwicklung der PSNV-B innerhalb der letzten Jahre an und versucht, im Sinne des Konsensus-Prozesses einen innovativen Beitrag zur Wirksamkeitsforschung innerhalb der PSNV-B zu leisten. Dabei ist uns der Austausch und die Abstimmung mit Fachkolleginnen und -kollegen bundesweit sehr wichtig. So haben wir unser Projekt bereits auf Veranstaltungen u.a. des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in überregionalen Fachkreisen vorgestellt und diskutiert. 

Ziele

In unserer Studie untersuchen wir, wie sich die Betreuungen des KIT-München auf die von einem außergewöhnlich belastenden Ereignis betroffenen Personen auswirken. Welchen Einfluss hat die KIT-Betreuung unmittelbar, aber auch mittel- und längerfristig? Wie erleben diejenigen Personen, die wir betreuen, den KIT-Einsatz? Welche Rolle spielt er in der weiteren Verarbeitung der Geschehnisse? Welche einzelnen Maßnahmen innerhalb des 
KIT-Einsatzes wirken sich dabei wie aus?

Diesen und weiteren Fragen, aber auch Herausforderungen, stellen wir uns in unserem Forschungsprojekt. Ziel unserer Studie ist es, die PSNV-B - wo nötig - qualitativ weiterzuentwickeln (Qualitätssicherung). In einem ersten Schritt ist es zunächst notwendig, die Wirkmechanismen der PSNV-Einsätze und ihren Einfluss auf betreute Personen 
genauer zu verstehen. Dazu setzen wir jeweils das Ereignis, den KIT-Einsatzverlauf, das Erleben der Probanden sowie die kurz-, mittel- und längerfristigen Folgen (z.B. Wohlbefinden, Belastungen der Probanden) miteinander in Beziehung. 

Ablauf

Unsere Studie ist eine sogenannte längsschnittliche Untersuchung mit drei Messzeitpunkten. Das bedeutet, dass wir dieselben Untersuchungsteilnehmenden (Probanden) zu mehreren Zeitpunkten befragen. Dadurch lassen sich Veränderungen und Entwicklungen (z.B. in Bezug auf das persönliche Wohlbefinden oder bestimmte Belastungen und Symptome) im zeitlichen Verlauf beobachten.

Messzeitpunkt 1 ist die jeweilige Einsatzsituation des KIT-München.
Hier findet selbstverständlich keine Befragung der Probanden statt. Stattdessen erhalten wir wesentliche Daten zu Ereignis und Einsatzverlauf durch das Einsatzprotokoll, das die Einsatzkraft des KIT-München ohnehin nach jedem Einsatz verfasst.

Messzeitpunkt 2 (2-3 Wochen nach dem Ereignis) und Messzeitpunkt 3
(6 Monate nach dem Ereignis) finden als klassische Befragungen der Probanden statt.
Dies ist je nach persönlichem Wunsch der Teilnehmenden entweder als schriftliche
Befragung (online oder in Papierform) oder als Face-to-Face-Interview möglich.
Für nähere Informationen zum Ablauf und für alle organisatorischen Fragen klicken Sie hier

PSNV-Betreuung und Forschung - kann das gelingen?

Die Menschen, zu denen wir gerufen werden, sind mit einem außergewöhnlichen Lebensereignis konfrontiert, das in vielen Fällen eine hohe psychische Belastung auslöst. Oftmals kann die PSNV-B hier eine bedeutsame und Orientierung gebende Stütze sein, auf die betroffene Personen vertrauen. Eine Stütze, die Halt gibt in Minuten und Stunden,
in denen vielfach nichts mehr so ist, wie es eben noch war.
Mit anderen Worten: Gegenstand unserer Forschung ist eine hochsensible Phase.

Das macht Forschung in der PSNV-B so schwierig - und so wichtig.

Und so besteht eine der zentralen Herausforderungen im Bereich PSNV-B darin, ein Forschungsdesign zu entwickeln, bei dem zu jedem Zeitpunkt das Wohl der Probanden (in unserem Fall also der vom KIT-München betreuten und in einigen Fällen hoch belasteten Personen) an erster Stelle steht, und das dennoch wissenschaftlich belastbare Ergebnisse liefert. Der verantwortungsvolle Umgang mit diesem Spannungsfeld zwischen ethisch einwandfreien Studienbedingungen auf der einen Seite und der Berücksichtigung
des Forschungsinteresses auf der anderen Seite ist unser oberstes Anliegen.

Eine Einsatzsituation in der PSNV-B lässt sich zu Forschungszwecken nicht authentisch nachstellen, und so müssen wir für unsere Untersuchung die Realsituation heranziehen. Unser ethischer Kompass und der Anspruch an die Arbeit der PSNV-B verbieten dabei eine Veränderung der Einsatzsituation selbst. Wir können und wollen während der Einsatzsituation beispielsweise keine Befragung durchführen, da dies weder den betroffenen Personen noch den PSNV-Einsatzkräften zuzumuten ist.

Stattdessen findet eine direkte Befragung der Probanden (je nach Wunsch schriftlich
oder persönlich) erst nach 2-3 Wochen sowie nochmals nach einem halben Jahr statt.
Auch beim Aufbau der Fragebögen haben wir stets kritisch gegengeprüft, ob die Inhalte unseren Probanden zuzumuten sind. Diese sowie viele weitere Maßnahmen und Überlegungen führen dazu, dass wir überzeugt sagen können:

PSNV-B und Forschung - das kann gelingen.